„Zurückweisung bedeutet oft Lebensgefahr“

Karin Nordmeyer, UN Women Nationales Komitee Deutschland
Karin Nordmeyer, Vorsitzende UN Women Nationales Komitee Deutschland

Deutschland ist ein sicheres Land. Auch für Frauen? 2020 fehlen hierzulande Frauenhäuser. Auch Präventionsmaßnahmen und klare Gesetze, die Frauen davor schützen, Opfer häuslicher Gewalt zu werden, gibt es zu wenige. Wir von Avon Deutschland haben deshalb UN Women Nationales Komitee Deutschland bei einer Petition zum Schutz vor häuslicher Gewalt unterstützt. Ob die Aktion etwas gebracht hat? Das erfährst du im Interview mit Karin Nordmeyer, der Vorsitzenden von UN Women Nationales Komitee Deutschland.

Viele glauben, Opfer von häuslicher Gewalt finden ausreichende Schutzangebote in Deutschland. Wie sehen Sie das?

Karin Nordmeyer: Ich bezeichne die Situation als nicht länger erträglich. Viele Frauenhäuser sind überfüllt. In Deutschland fehlen etwa 14.000 Plätze. Zudem gibt es keine klaren gesetzlichen Vorgaben zu Finanzierung und Arbeit der Frauenhäuser. Eine Aufnahme ist oft an finanzielle Hürden geknüpft. Doch Zurückweisung bedeutet in vielen Fällen Lebensgefahr für die Frau. Außerdem fehlt es an Präventionsmaßnahmen für häusliche Gewalt. Schließlich muss man das Problem an der Wurzel anpacken und ein Umdenken anstoßen. Denn es existiert noch das Bild des Mannes, der als Familienoberhaupt seinen Willen notfalls auch mit Gewalt durchsetzen darf. Folglich werden Frauen zur Zielscheibe von Wut, Aggression, Eifersucht und Gewalt. Ein gleichberechtigtes Zusammenleben kann  nur gemeinsam gelingen. Männer müssen eingebunden werden und Teil der Lösung sein.

Avon hatte ja im vergangenen Jahr UN Women Nationales Komitee Deutschland bei der Durchführung einer Petition für den Ausbau von Frauenhäusern unterstützt. Wie ist der aktuelle Stand?

Karin Nordmeyer: Unsere Petition zum Gewaltschutz zeigt Wirkung! Das Familienministerium will in den nächsten vier Jahren insgesamt 120 Millionen € zusätzlich für den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäusern bereitstellen. Außerdem wird eine neue Monitoringstelle gegen häusliche Gewalt aufgebaut. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal den 7.750 Unterzeichner*innen danken und allen, die geholfen haben, das immer noch tabuisierte Thema Gewalt an Frauen weiter in die Öffentlichkeit zu tragen.

Zusätzliche 120 Millionen Euro für den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäuser sowie eine neue Monitoringstelle – ein toller Erfolg oder ein erster Schritt in die richtige Richtung?

Karin Nordmeyer: Es ist ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings ist das Thema häusliche Gewalt wie oben beschrieben ein vielschichtiges und komplexes Thema. Kurz gesagt, gibt es drei notwendige Schritte aus meiner Sicht:

1. Das Recht von Frauen und Kindern auf Schutz vor Gewalt erweitern und  einen Platz im Frauenhaus in einem Bundesgesetz verankern.

2. Eine langfristige bundesweite Finanzierung der Arbeit in und mit Frauenhäusern, so dass auch die dringend benötigten weiteren 14.600 Plätze in Frauenhäusern geschaffen werden können.

3. Männer zum „Teil der Lösung“ machen: gezielte Präventions- und Bewusstseinsarbeit für und mit Männern aufbauen, um häusliche Gewalt stoppen zu lernen.

Häusliche Gewalt ist nach wie vor ein Tabu-Thema. Viele Betroffene schweigen aus falscher Scham oder wegen Schuldgefühlen. Was würden Sie diesen Frauen raten? 

Karin Nordmeyer: Ich würde den Frauen gerne sagen: Häusliche Gewalt ist niemals in Ordnung. Denn ihr verdient Respekt und seid nicht alleine. Mein Rat ist, sich Hilfe zu holen. Eine gute Anlaufstelle ist das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. Es ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung werden alle Betroffenen 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr und in 17 Fremdsprachen unterstützt. Auch Angehörige und Fachkräfte werden dort anonym und kostenfrei beraten.

Du möchtest UN Women unterstützen? Hier gibt es weitere Informationen.

Mehr Berichte über unser soziales Engagement findest du hier auf dem Blog.


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