Avon: Du beschäftigst dich im Rahmen deiner Arbeit intensiv mit dem Genre des Portraits. Was fasziniert dich ausgerechnet daran so besonders?
Frank Lübke: Ja, das stimmt, das Portrait ist der Schwerpunkt meiner Arbeit. Ich würde sogar sagen, dass mich oft die Begegnung mit den Menschen mehr interessiert als das Foto. Ich betrachte es als ein Geschenk, wenn sich Menschen öffnen, Geschichten erzählen oder einfach neue Seiten ihrer Persönlichkeit im Laufe eines Shootings zeigen. Mein Lieblingszitat ist in diesem Zusammenhang vom amerikanischen People Fotograf Alfred Eisenstaedt „It´s more important to click with the people than to click the shutter.“
Wann ist nach deiner Meinung das Portrait eines Menschen gelungen?
Frank Lübke: Ich denke, das ist wie immer eine Frage der Perspektive. Aus der Sicht des Betrachters sollte das Bild berühren. Aus der Sicht der portraitierten Person möchte man sich im Bild wieder erkennen. Aber aus meiner Sicht ist ein gutes Portrait ein Bild, das eine neue Seite einer Persönlichkeit zeigt und damit überrascht.
Vor Jahren hast du das Me, Myself and I Projekt ins Leben gerufen, innerhalb dessen du das Treffen von Prominenten mit ihrem Alter Ego inszenierst. Ein Teil dieser Portraits war ein Jahr lang wöchentlich im Magazin Stern zu sehen. Wie kam die Idee zu diesem Projekt?
Frank Lübke: Die Grundidee des „Me, Myself and I” Projekts ist die Erkenntnis, dass wir Menschen am Ende alleine sind. Damit ist gemeint, dass trotz aller Freundschaften und Familien-Konstrukte wir für uns selbst verantwortlich sind. Wir können uns selbst der beste Freund sein oder werden zu unserem schlimmsten Feind. Diesen Dualismus darzustellen war die Idee der Portraitstrecke, die ein ganzes Jahr jede Woche im Stern Magazin zu sehen war. In den Bildern begegnen über 50 Celebrities ihrem Alter Ego – sozusagen eine Verabredung mit sich selbst. Ich bin der Meinung Selbstliebe ist in der Gesellschaft negativ besetzt und wird mit Egoismus verwechselt, dabei ist Selbstliebe der Schlüssel für ein zufriedenes und glückliches Leben.
Welche Persönlichkeiten, die du für ein Portrait vor deiner Linse hattest, haben dich besonders beeindruckt und warum?
Frank Lübke: Eigentlich war jede Begegnung eine ganz besondere Erfahrung die ich nicht vergessen werde, die Menschen waren alle sehr unterschiedlich und kamen aus verschiedenen Branchen. Da waren Schauspieler wie Mario Adorf, Jeanette Hain, Justus von Dohnanyi oder Musiker wie Felix Jaehn, Andreas Bourani oder Marius-Müller-Westernhagen – um nur einige zu nennen. Besonders waren für mich die Begegnungen mit Menschen, deren Lebenslauf im klassischen Sinne nicht ganz so glatt verlaufen ist. Bei den Begegnungen mit Helmut Berger, Rainer Langhans, Christine Kaufmann oder Konstatin Wecker habe ich viel gelernt und wir haben mehr Zeit mit Reden als mit Fotografieren verbracht.
Blickt man auf die Fashion- und Beauty-Welt, könnte man den Eindruck bekommen, dass Schönheit einer sehr universell gültigen Definition unterliegt. Blickt man dahinter, stellt man jedoch schnell fest, dass Schönheit eben doch ganz stark im Auge des Betrachters liegt. Wie definierst du für dich Schönheit?
Frank Lübke: Schönheit ist für mich immer ein Stück Wahrhaftigkeit. Egal ob jemand im klassischem Sinne schön ist oder auch nicht in diese Schönheitsschablone passt. Ich meine, wenn jemand zu dem steht was er ist und sich selbst annimmt, überträgt sich diese Haltung auch in seinem Auftritt und natürlich auch in der Wahrnehmung durch andere. Persönlichkeit wird so zu einer individuellen und wahrhaftigen Schönheit. Eine „lange Nase“ wird so Schönheit. Ich kann mir jedenfalls eine Barbara Streisand oder einen Thomas Gottschalk nicht mit kleiner Nase vorstellen.
Gibt es deiner Meinung nach einen Unterschied in der Wahrnehmung von Schönheit an Männern und Frauen?
Frank Lübke: Ja, Frauen sind viel, viel kritischer 🙂
Du hast das Me, Myself and I Projekt gegründet und erzählt, dass du ein Online-Magazin planst und auch sonst bist du viel beschäftigt, von der klassischen Werbe- bis zur Reisefotografie. Was ist dein kreativer Motor, was beflügelt dich dabei?
Frank Lübke: Kreativität ist mir wichtig, ist aber nicht mein Motor, sondern Ausdrucksweise. Was mich antreibt ist tatsächlich Neugier, so viel wie möglich zu erleben im Leben. Vielleicht gibt es ja ein Leben nach dem Tod – schön wäre es. Aber bis dies nicht bewiesen ist, versuche ich aus dem Leben so viel wie möglich zu machen. Und da ist jeder Tag an dem ich fotografiere und neue Menschen kennenlerne ein guter Tag.
Kreativität der Kreativität willen hat etwas sehr Verlockendes – kommt aber der Aspekt dazu, damit seinen Lebensunterhalt verdienen zu wollen, dann baut das schnell Druck auf, der manchmal auf Kosten der Kreativität gehen kann. Hast du Angst davor, dass dein schöpferisches Potenzial versiegen könnte?
Frank Lübke: Fast jeder muss arbeiten um zu leben. Daher rate ich meinen beiden Söhnen, macht etwas was euch Spaß macht, dann wird die Arbeit zur Passion und das Geld folgt dann in der Regel auch.
Angst davor, dass mein schöpferisches Potential versiegen könnte habe ich nicht. Ich bin aber jeden Tag sehr dankbar gesund zu sein.
Mit HER STORY hast du für Avon völlig unterschiedliche Frauen porträtiert. Alle haben jedoch eines gemeinsam: eine eigene, manchmal auch nicht so ganz einfache, persönliche Geschichte, einen eigenen Lebensweg – und eine positive, lebensfrohe Ausstrahlung und eine Passion für das, was sie tun oder für die Art, wie sie leben. Was hat dich an dieser Kampagne gereizt?
Frank Lübke: Mich hat an diesem Fotoprojekt ganz besonders gereizt, dass es sich bei den Persönlichkeiten um ganz normale Menschen gehandelt hat – keine Models und keine Celebrities. Persönlichkeiten die Herausforderungen und Krisen hatten, diese aber mit einem positiven Blick auf ihr Leben gemeistert haben. Klar, dass man von diesen neuen Begegnungen lernen kann – was ich auch getan habe. Und es sind viele gute Portraits entstanden. Ich habe im Laufe meiner Karriere festgestellt, dass Menschen die schon einmal gescheitert sind bzw. Schicksalsschläge überwunden haben gelassener und demütiger sind und eine Ruhe und Souveränität ausstrahlen, die sehr sympathisch ist.
Wenn du Menschen porträtierst, dann sitzen diese Menschen meist nicht nur vor einem hübschen Hintergrund und sind vorteilhaft ausgeleuchtet, sondern du inszenierst sie tatsächlich. Viele der Porträts der HER STORY Kampagne haben diesen unerwarteten Moment, der sie so spannend macht.
Wir haben mit Lisa* gesprochen, die eine schwere Geschichte aus ihrer Kindheit mit sich herumtrug und in eine tiefe Depression fiel, aber ihren Weg da heraus gefunden hat und sie ist in einem knallbunten Flamingo zu sehen.
Wir haben mit Yvette gesprochen, die uns erzählt hat, dass sie als Mutter eines Kleinkindes Brustkrebs bekam und dabei eine Brust verloren hat. Auf dem Porträt (und auch in Natur) flasht sie uns alle mit ihrem Sex Appeal.
Anica hat uns ihre Geschichte von häuslicher Gewalt erzählt – auf dem Porträt sieht man eine wunderschöne, zarte Frau mit erhobenem Haupt und einem geöffneten Vogelkäfig in ihrer Hand – schöner könnte man Freiheit und Stolz kaum darstellen. So hat sie es auch auf das Cover unseres Avon Beauty Magazins geschafft.
Wir haben Aldijana, die als Influencerin für das Thema Body Positivity einsteht, interviewt. Auf dem Bild, das sie sogar zum Cover Model der Avon Broschüre Campagne 3 gemacht hat, sieht man sie im Beth Ditto-Style: bold, sexy, vor Energie sprühend und damit Vorbild für alle Frauen, sich selbst anzunehmen und zu ihren eigenen Ecken und Kanten zu stehen.
Wie gehst du bei der Vorbereitung dieser Inszenierungen vor, wie näherst du dich deiner Bildidee?
Frank Lübke: Ich finde es sehr wichtig den Menschen und seine Geschichte zu kennen. Dies gilt für ein Projekt wie die „HER STORY“ Fotoserie ganz besonders. Dem Fotoshooting gingen daher Telefonate voraus, bei denen ich mich mit jedem der Persönlichkeiten in Ruhe unterhalten konnte. Ich entwerfe die Fotoideen immer mit den Protagonisten. Nur so kann etwas Wahrhaftiges entstehen. Dieses „Kennenlernen“ setzt sich dann beim Shooting fort und wenn man sich vertraut, können dann auch spontane Fotoideen und Umsetzungen entstehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Frauen sollten, können nicht – die Idee hinter Her Story
Ab dem 6. Februar findet ihr jeden Donnerstag um 12 Uhr eine neue inspirirerende und berührende Geschichte hier auf dem Blog.
*Name wurde von der Redaktion geändert