Du bist wertvoll – Nicole HER STORY

HER Story Avon Nicole
Nicole hat sich trotz erlittener Schicksalsschläge und Mobbing mit 21 Jahren ihren Traum verwirklicht und sich erfolgreich als Goldschmiedin selbständig gemacht.

Was man auf den ersten Blick nicht sieht? Nicole ging durch eine wirklich furchtbare Mobbing-Geschichte in ihrer Jugend, von der man annehmen könnte, dass sie einen Menschen bricht. Und dann begegneten wir einer jungen und erfolgreichen Goldschmiedin, mit einer klaren eigenen Meinung und mit so einer mitreißenden Lebensfreude. Wie das kam? Lest selbst:

Du warst als Kind auf dem Gymnasium und hast dann auf die Realschule gewechselt. Das ist meist schwierig, man verliert sein altes Umfeld und man ist die Neue. Wie war das bei dir?

Nicole: Schwierig – genau so hat sich das auch bei mir angefühlt. Noch dazu kam allerdings, dass in der Realschule dann ja viele „alte Gesichter“ aus meiner Grundschulzeit warteten, und nur wenige meinen Schritt nachempfinden konnten, sich geradezu lächerlich darüber gemacht haben. Das hat mich dann natürlich nicht gerade selbstbewusst starten lassen. 

Wie bist du damit umgegangen, dass du in dieser neuen Situation gemobbt wurdest? Hast du dich jemanden anvertraut?

Nicole: Obwohl ich daheim eine ganz wundervolle und offene Erziehung genossen habe, konnte ich es meiner Familie nicht erzählen, ich habe mich einfach zu sehr dafür geschämt. Daheim hatte jeder immer ein offenes Ohr für die Probleme anderer, aber das war wirklich etwas, das ich ein Stück weit auch vor mir selbst nicht zugeben wollte.

Was hat es mit dir und deiner Selbstwahrnehmung gemacht, dass du gemobbt wurdest?

Nicole: Ich habe mich oft nichts mehr getraut… Bin trauriger geworden, hab mich verschlossen, mich immer mehr zurück gezogen und verlernt zu vertrauen, vorallem in mich selbst.

In einer Zeit, die ohnehin schon schlimm war, ist deine beste Freundin gestorben. Wie hast du die Zeit erlebt und wer war für dich da?

Nicole: Es hat lange gedauert bis ich überhaupt realisiert hatte, was da passiert ist. Es war kurz vor den Sommerferien, so konnte ich mich zumindest erstmal daheim „ausruhen“, hatte Zeit zum Nachdenken. Ich hatte oft Alpträume, hab noch wochenlang versucht auf ihrem Handy anzurufen, mir immer wieder ihre SMS durchgelesen, bin zum Friedhof gefahren, aber alles eher so ganz alleine für mich selbst. Zeitgleich mit Lauras Tod, bzw. vier Tage vorher, bin ich ja mit meinem Freund, meinem jetzigen Mann zusammen gekommen. Heute weiß ich, dass er mir wohl die nötige Kraft und genau den Halt gegeben hat, den ich zu dieser Zeit so gebraucht habe – der mich wieder hat aufstehen lassen. 

Du hattest in der schlimmen Mobbingzeit schon deinen Freund, der jetzt dein Mann ist. Wie ist er damit umgegangen und konnte er dir helfen?

Nicole: Tatsächlich konnte er mir nur bedingt helfen – was aber keinesfalls seine Schuld war! Für mich waren das wie zwei Welten… Wenn ich nach der Schule daheim war und Sebastian war da für mich, hab ich alles andere verdrängt. Da war ich sicher, da war alles gut. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich ihm anvertraut habe. Auch weil ich irgendwie Angst hatte wie er reagieren würde, weil ich mich geschämt habe und auf der anderen Seite einfach kein Mitleid wollte, nicht auch noch daheim über Negatives reden wollte. 

Wie hat es sich dann ergeben, dass du eine Ausbildung zur Goldschmiedin gemacht hast?

Nicole: Ich hatte drei Jahre in Folge bei meinem „Wunschausbildungsbetrieb“ gefragt, ob denn ein Ausbildungsplatz frei wird. Da ein Umzug für mich nicht in Frage kam, und ich erneut eine Absage erhielt, hatte ich mich schon nach anderen Berufsmöglichkeiten umgeschaut. Bis dann, ganz plötzlich, durch eine betriebliche Umstrukturierung doch die Möglichkeit einer Ausbildung in meinem Wunschbetrieb bestand.

Was hast du neben den fachlichen Kenntnissen auch aus menschlicher Sicht von dieser Ausbildung mitgenommen?

Nicole: Ganz, ganz viel! Ich durfte mich dort entfalten, bin gefordert worden und habe neues Selbstbewusstsein erlangt. Ich habe dort gelernt Verantwortung zu übernehmen, auch mal unter Druck zu arbeiten, meinen Perfektionismus richtig einzusetzen und konnte mir durch das Arbeiten für und mit den Kunden eine ganz gute Menschenkenntnis aneignen. 

Du hast nach deiner Lehre einige Monate im Rahmen eines Stipendiums in Irland gelebt und gearbeitet. Wie war das für dich und wie kam dann die Entscheidung mit 21 Jahren zur Selbstständigkeit?

Nicole: Aus Irland habe ich mir wirklich einen riesigen neuen „Schub“ mit nach Hause genommen, was mich dann dazu gebracht hat, mich in die Selbstständigkeit zu wagen! Mein Kopf ist fast geplatzt vor Ideen, mein kleines Notizbuch – mein „Ideenbuch“, das ich immer mit mir herumgetragen habe, ist quasi übergequollen. Ein paar Ideen hatte ich schon immer mal wieder umgesetzt, daheim hatte mir mein Papa einen tollen Werktisch gebaut. Aber nach meiner Rückkehr aus Irland habe ich mich irgendwie einfach berufen gefühlt für diesen großen Schritt! Ich wollte mehr als meinen Werktisch, ich wollte eine eigene Werkstatt und einfach mein eigenes Ding machen!

Und wie kam diese Entscheidung bei deinem Umfeld an?

Nicole: Oh, nicht bei allen gleich (gut)… Es gab natürlich Leute, die mir den Rücken gestärkt haben, die mich regelrecht angefeuert und motiviert haben, die es toll fanden, stolz waren, aber auch einige, die nicht an mich geglaubt haben. Ich war 21 Jahre alt – viele betitelten mich als „naiv“, hielten meine Idee der eigenen Goldschmiede für eine „Schnaps Idee“. Bei wieder anderen, bekam ich auch Neid zu spüren, womit ich übrigens bis heute nicht richtig umgehen kann… Für mich eine ganz schreckliche Emotion, ich bin da einfach anders erzogen worden, kann nicht nachvollziehen, wie man anderen Menschen Freude oder gar Erfolg nicht gönnen kann. 

Hat dir deine Erfahrung aus der Zeit des Mobbings und das Wissen darum, Schlimmeres überstanden zu haben, dabei geholfen, an dich selber zu glauben und zu wissen, ich geh da durch, auch wenn andere das nicht gut finden?

Nicole: Definitiv. Ich hatte tatsächlich keinen „Plan B“… Falls das mit der eigenen Werkstatt nicht geklappt hätte. Ich wusste, egal wie es kommt, ich würde meinen Weg gehen! Und vielleicht hat mich die Tatsache, dass es Leute gab, die mein Vorhaben nicht gut fanden, sogar noch zusätzlich angespornt! 

Wenn du den damaligen Leuten, die dich gemobbt haben, begegnest, wie ist das für dich?

Nicole: Tatsächlich bin ich heute, so wie ich bin und dort wo ich jetzt stehe, stolz auf mich. Ich bin daran gewachsen… Ja, bin vielleicht auch nur dank diesen Leuten dort wo ich jetzt bin! Deshalb kann ich auch ganz selbstbewusst damit umgehen, weiß aber auch noch genau, wer mir welchen Schmerz zugefügt hat – bin freundlich, aber muss mich dann auch nicht weiter mit den Leuten abgeben. 

Du hast deinen Freund neulich geheiratet. Und das in Turnschuhen, weil du es so wolltest, so hast du uns erzählt. Warum war dir das so wichtig?

Nicole: Mit diesem kleinen „Stilbruch“ bin ich auch auf ganz unterschiedliche Meinungen gestoßen! Viele die gesagt haben „super, cool! Hätte ich mich nie getraut“ aber auch welche, die da eben wieder gesagt haben „puh, würde ich nie machen. Geht gar nicht!“. Und ich sage: doch, geht natürlich! Ich habe gelernt mich nicht mehr von der Meinung anderer beeinflussen zu lassen. Meine eigene Meinung zu haben und dahinter zu stehen.

Ich habe getan, was ich wollte. Das bin einfach ich, warum sollte ich mich in hohe, unbequeme Schuhe zwängen, wenn es mir zudem auch noch nicht mal gefällt? (zwinkert) Und ich sonst auch noch größer als mein Mann gewesen wäre! 

Du hast nach deiner Goldschmiede-Ausbildung auch noch eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin gemacht? Wie kam das?

Nicole: Ich bin schon seit meiner Jugend bei der freiwilligen Feuerwehr. Dabei hat mich dann auch schon immer die Arbeit vom Rettungsdienst interessiert… Bin dann da ehrenamtlich über meinen besten Freund so in die ganze Sache reingerutscht, habe „Blut geleckt“ 😉 und immer mehr dazu lernen wollen, immer mehr wissen wollen. Es war dann für mich zusätzlich auch der perfekte Ausgleich zu meiner Arbeit in der Goldschmiede. 

Dadurch konntest du dich auch ein wenig mit dem Tod deiner seinerzeit besten Freundin aussöhnen, habe ich verstanden. Wie kam das?

Nicole: Ich fahre auf einer kleinen Rettungswache in der Notfallrettung, da sind wir auf einer Schicht immer nur zu zweit. Man unterhält sich dann natürlich auch mit dem Teamkollegen – lacht, quatscht und redet auch über private Dinge… So kam ich dann auf Laura zu sprechen. Irgendwann unterbrach mich dann mein Kollege, weil er sich erinnerte, weil eben er damals derjenige war, der in den letzten Minuten bei meiner besten Freundin war. Das war 2018 eben schon 10 Jahre her. Ich habe dann viel geredet, danach viel geweint, viel nachgedacht, alles kam nochmal hoch. Tatsächlich habe ich auch ein paar Wochen gebraucht und dann endlich meinen Frieden schließen können… Zwei meiner Lieblingskollegen, beides Männer, denen ich mein eigenes Leben in die Hände legen würde, haben damals alles für meine Laura getan, ihre Hand gehalten, waren bei ihr. Für mich Schicksal, es hat mich aufarbeiten lassen, mich abschließen lassen!

Wenn man dich kennenlernt, dann bist du ein unglaublich fröhlicher Mensch, der alle mit seiner guten Laune und Offenheit mitreißt. Kaum zu glauben, bei der Vorgeschichte. Wie hast du das für dich geschafft?

Nicole: (Lächelt) Dankeschön. Ich würde sagen, dass ich schon immer ein sehr offener, neugieriger, optimistischer und fröhlicher Mensch bin. Ich habe Menschen immer recht schnell vertraut. Vielleicht kann man sagen, dass ich auch ein bisschen naiv bin, ja. Natürlich habe ich mich dadurch in der Vergangenheit auch ein Stück weit leichter angreifbar gemacht. Diese ganzen Eigenschaften habe ich dann während des ganzen Mobbings immer irgendwie eingefroren – mir verboten – meine Leichtigkeit war dahin. Der Tiefpunkt war dann natürlich erreicht, als Laura weg war. Ich stand da, hatte mich komplett verloren gefühlt. Und da war es eben sehr hilfreich, dass ich die Sommerferien hatte um mich ein Stück weit auszuruhen. Als es dann wieder besser wurde, ich wieder aufgestanden und aufgetaut bin, kam mit der Zeit alles wieder zurück. Tatsächlich bin ich sogar noch „größer“ aus der ganzen Sache rausgegangen. Ich habe viel dazu gelernt, würde aber trotzdem sagen, dass mir mein Naturell dabei ein großes Stück weit geholfen hat, das alles durchzustehen. 

Was würdest du aus heutiger Sicht jungen und auch erwachsenen Menschen raten, die Opfer von Mobbing werden?

Nicole: Reden! Sich jemanden anvertrauen, auch wenn es schwer fällt, weil man das ja am liebsten auch nicht zugeben will. Ich wäre damals wohl nie zu einem meiner Lehrer gegangen und hätte nach Rat und Hilfe gefragt. Im Nachhinein weiß ich es besser. Ich hatte Glück, diesen Schritt hat nämlich dann einer der Lehrkräfte für mich gemacht und mich an die Hand genommen. Verkriecht euch nicht und hört nicht auf an euch zu glauben! Es ist wirklich wichtig, dass man sich nicht komplett davon unterkriegen lässt. Es ist keine Schwäche Hilfe anzunehmen und sich einzugestehen, dass man es ganz alleine einfach nicht mehr schafft. Sich erlauben, stolz auf sich selbst zu sein hilft auch sehr. Optimistisch in die Zukunft blicken, die Ziele niemals aus den Augen verlieren. Kopf hoch, Augen geradeaus und erhobenen Hauptes seinen eigenen Weg gehen!

„Lass dich nicht klein machen – du bist wertvoll!“

Vielen lieben Dank für deine offene und ehrliche Art und die tolle Zusammenarbeit! Du bist wirklich sehr inspirierend und deine Message ist so bedeutend! Du kannst wirklich stolz auf dich sein!

Ab dem 6. Februar findet ihr jeden Donnerstag um 12 Uhr eine neue inspirirerende und berührende Geschichte hier auf dem Blog.

Website: http://www.nicoleriegler.de/


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